Die Verdauung des Pferdes

Als Pferde noch in freien Herden über durch die Steppe zogen, ernährten sie sich ausschließlich von Gräsern und Kräutern und legten beim Grasen nicht selten viele Kilometer zurück. Auf diese Lebens- und Ernährungsweise ist auch heute noch der gesamte Organismus eines Pferdes ausgelegt. Da ist es nicht verwunderlich, dass die heutige Pferdehaltung in der Regel viele Einschränkungen für die natürliche Futteraufnahme eines Pferdes beinhaltet. Die überwiegende Anzahl der Pferde lebt in Boxenhaltung und bekommt, wenn überhaupt, nur stundenweise „Freigang“ auf Koppeln. Durch diese Haltung können Pferde ihre Nahrung jedoch nicht mehr kontinuierlich in kleinen Mengen aufnehmen, sondern erhalten meistens 2-3 große Portionen pro Tag. Dadurch muss der verhältnismäßig kleine Pferdemagen unter Schwerstarbeit große Mengen Futterbrei verarbeiten, was zu Leistungseinschränkungen und Unwohlsein oder schlimmstenfalls zu schwerwiegenden Fehlgärungen führen kann. Koliken, Kreuzverschlag, Hufrehe und weitere bekannte Krankheiten sind oft nur auf die falsche Ernährung des Pferdes zurückzuführen.

Die meisten Verdauungsprobleme werden durch Fehler in der Fütterung und durch die Gabe ungeeigneter Futtermittel verursacht. Stimmt die Verdauung nicht, kann das zu einer falschen oder verminderten Nährstoffaufnahme führen. Eine gute Verdauung dagegen entscheidet über die Nährstoffaufnahme, eine funktionierende Immunabwehr und die Leistung.
Richten Sie Ihr besonderes Augenmerk auf eine pferdegerechte Fütterung, denn so können Sie bereits im Vorfeld viele Erkrankungen und Probleme Ihres Pferdes verhindern oder zumindest minimieren.

Um die Verdauung genau zu verstehen und um Verdauungsprobleme zu vermeiden, werden im Folgenden die 4 Phasen der Futteraufnahme vom Apfel bis zum Pferdeapfel beschrieben.
Die Durchgangszeit der Nahrung durch den Verdauungskanal beginnt mit der Ausscheidung ca. 20 Stunden nach der Futteraufnahme und endet erst nach ca. 4-5 Tagen.

1. Phase: Das Maul
Das Futter wird mit den Lippen und Schneidezähnen aufgenommen und mit den Backenzähnen zermalmt. Durch das Einspeicheln der Nahrung beginnt bereits in der Maulhöhle die Verdauung. Je besser das Futter in dieser Phase zerkleinert und eingespeichelt wird, desto positiver wirkt sich das auf die weitere Verdauung aus. Lange Futteraufnahmezeiten fördern diesen Prozess. Natürlich gehaltene Pferde nehmen bis zu 18 Stunden am Tag Futter auf.
Wichtig ist, dass Ihr Pferd gesunde Zähne hat und das Futter in Ruhe und ohne Stress aufnehmen kann.

2. Phase: Der Magen
Nach dem Abschlucken gelangt das Futter in den Magen. Mit einem Fassungs- vermögen von ca. 12.-14 Litern ist der bohnenförmige Magen eines Pferdes nur begrenzt dehnfähig. Der Übergang von der Speiseröhre in den Magen ist ein sehr fester Schließmuskel, der die Nahrung nur in kleinen Portionen in den Magen lässt. Durch diesen festen Verschluss kann sich ein Pferd nicht erbrechen und bei schneller Aufgasung im Magen kann es zu Rissen in diesem Schließmuskel kommen.
Die Verdauung läuft über Enzyme, den Magensaft und dessen Säuren ab. Der Pferdemagen ist anfällig für Magengeschwüre, die vor allem durch Stress und zu große Kraftfutterrationen ausgelöst werden.
Füttern Sie möglichst mehrfach täglich kleine Kraftfutterrationen.

3. Phase: Der Dünndarm
Nach dem Magen gelangt das Futter in den bis zu 20m langen Dünndarm. Dort wird das Futter ca. 2 Stunden durch Enzyme und Galle in seine Bestandteile (Stärke, Zucker, Protein, Fett) aufgeschlüsselt und aufgenommen. Die Geschwindigkeit, mit der der Futterbrei den Dünndarm passiert, ist also relativ hoch.
Die Darmmuskulatur transportiert den dünnflüssigen Nahrungsbrei mit wellenförmigen Kontraktionen durch den Darmkanal. Damit es nicht zu Fehlgärungen oder Koliken kommt, sollte der Dünndarminhalt stark wässrig sein und gut fließen können. Auch aus diesem Grund sollten die einzelnen Futterrationen pro Mahlzeit nicht zu groß sein.
Die Entstehung von Dünndarmkoliken kann unter anderem durch folgende Faktoren ausgelöst werden:

Magenüberladung durch zu große Futtermengen
Stress bei der Nahrungsaufnahme
Störung der Magenverdauung
Hygienemängel im Futter

Achten Sie auf ruhige Fressphasen, einwandfreies Futter und kleine Portionen.

4. Phase: Der Dickdarm
Der Dickdarm des Pferdes mit einer Länge von fast 8 Metern und einem Volumen von fast 130 Litern. Die stark erweiterten Dickdärme sind so genannte Gärkammern. Hier erfolgt die Zelluloseverdauung durch die Darmflora (Bakterien, Einzeller, Mikroorganismen). Diese Verdauung dient vor allem der Energiegewinnung, aber auch der Aufnahme von Vitaminen. Ebenso erfolgt im Dickdarm die Eindickung des Kots. 70-90% der Flüssigkeit werden hier wieder aufgenommen.
Störungen der Dickdarmverdauung finden sich unter anderem in folgenden Bereichen:

Beeinträchtigung der Dünndarmverdauung durch Fehler in der Fütterung oder durch Krankheit, Stress, starke körperliche Belastungen, Beeinträchtigung der Enzymausschüttung etc.
Mechanische Beeinträchtigungen durch Verstopfungen
Gereizte Darmwände durch schlecht gekautes, faserreiches Futter wie z. B. gehäckseltes Stroh oder fein geschnittenes Gras.

Im Enddarm werden die typischen „Pferdeäpfel“ geformt und der Kot dann ausgeschieden. Ein Pferd produziert täglich je nach Fütterung ca. 15-23 kg Kot, der in 5-12 Vorgängen vom Pferd ausgeschieden wird.

Fazit:
Der Darm ist das größte Immunsystem des Pferdes! Daher ist eine intakte Darmflora lebensnotwendig. Durch eine pferdegerechte Fütterung stärken Sie das Immunsystem und damit das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihres Pferdes! Stirbt die Darmflora ab, z. B. durch schlechte Futterqualität oder zu große Futterrationen, sind Koliken die Folge und das Immunsystem wird geschwächt.

Viele Störungen der Verdauungsprozesse können Sie im Vorfeld minimieren oder sogar vermeiden, wenn Sie einige Regeln bei der Fütterung Ihres Pferdes einhalten:

Verwenden Sie qualitativ hochwertige, hygienisch einwandfreie Futtermittel!
Pferde benötigen lange Fresszeiten, sorgen Sie für eine stressfreie Nahrungs¬aufnahme!
Füttern Sie ausreichende Mengen an kaufähigem, rohfaserreichem Rauhfutter!
Vermeiden Sie eine Über-/Unterfütterung!
Vermeiden Sie Belastungen direkt nach der Nahrungsaufnahme!

Das richtige Futter in der passenden Zusammensetzung und Fütterungsreihenfolge beeinflusst das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit Ihres Pferdes!